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Auf den Spuren des Finos –Eine Reise durch Jerez Teil 2

Aus den heiligen Hallen wieder ins Tageslicht blinzelnd, lässt die nächste wein-sinnige Ausnahme im Jerez-Gebiet nicht lange auf sich warten. Noch immer wirken Umami und die tiefe Salzigkeit des Fino von Gutiérrez Colosia am Gaumen nach, als sich das immense rostrote Eingangstor zu Gonzalez Byass öffnet. Eine der größten Bodegas des Gebiets, in familiärer Hand. Von der es einer der Onkels zu besonderer Berühmtheit gebracht hat. Und zwar so sehr, dass zum heutigen Tage mehr als 200.000 Besucher jährlich auf den Spuren des Tio wandelnd, die Bodega besuchen. Wobei sie eigentlich dessen Neffe, Manuel María González Ángel im Jahr 1835 aus der Taufe gehoben hat. Aber eben mit Mithilfe des Tios, der auf den Namen Pepe hörte. Als Dank dafür hat der Tio bis heute seinen persönlichen mit Sherry-Fässern gefüllten Solerabereich. Auch der Fino des Unternehmens ist nach dem Tio benannt. Und so lacht der sympathische Tio Pepe mit seinem roten Hut und Jäckchen heute nicht nur vom Dach eines der Gebäude am wichtigsten Platz in Madrid, der Puerta del Sol, sondern bringt als Fino andalusisches Lebensgefühl in weingeistige Wohnzimmer. Seit Jahrzehnten.

Direkt über der privaten Bodega des Onkels, erblickte der heutige Vater des Tio Pepes –gemeint ist jetzt der Fino-Sherry – das Licht der Welt. Antonio Flores, begnadeter Kellermeister, in der Bodega geboren und aufgewachsen, und nach weinigen Wanderjahren schließlich wieder zu Gonzalez-Byass zurückgekehrt. Hier lässt er den Tio Pepe-Wein jetzt erwachsen werden. Auch wenn die Bücher sagen: „Fino sollte immer jung getrunken werden. Ansonsten verflüchtigen sich die für Fino so typischen Aromen.“ Antonio Flores winkt dieser Theorie ab. Und zwar mit einem, zwei, drei und bis zu vier Palmwedeln. Denn so heißt die Linie der gereiften Finos – von einer bis zu vier Palmen – dessen Ursprung zu jeder Zeit der Tio-Pepe-Fino darstellt. Fino also jung trinken – ja sicher. Aber auch mit etwas Reifezeit ist das ein Wein, der wiederum eine Ausnahme in punkto Tiefe, Komplexität und Eleganz darstellt. Antonio Flores erklärt das so: „Der Tio Pepe durfte vier bis fünf Jahre unter der Florhefe reifen, er ist jugendlich, zeigt sein Potenzial, steht aber in seinen Aromen noch voll im jugendlichen Saft. Der Fino Una Palma wirkt mit seinen durchschnittlichen sechs Jahren schon etwas gereifter, zeigt aber auch noch die Kraft der Jugend. Dos Palmas ist bereits ein erwachsener gesetzter Fino mit acht Jahren, in denen er im traditionellen Solerasystem in amerikanischen Eichenfässern gereift ist. Noch etwas mehr Reife und Tiefe bietet der Fino Tres Palmas mit einem Alter von zehn Jahren.“ Verkostungstechnisch beobachten wir, den Erzählungen von Antonio lauschend, eine Entwicklung der Aromatik von frischen Mandeln und Hefe hin zu getrockneten Früchten, gerösteten Nüssen und salzig-würzigen Noten. Der Grandseigneur an Fino schließlich, der Cuatro Palmas mit 48 Jahren, zeigt wiederum, dass ein Fino dennoch ein junggebliebener Wein ist, komplettiert durch eine gereifte Aromatik  von Zedernholz, Tabak und Kräutern . Zu schade wäre es also, wenn man sich hier immer an die Regeln halten würde. Beziehungsweise Antonio Flores, der mit seinen „Finos Palma“ die Theorie an jung zu trinkenden Finos mit Nachdruck widerlegt. Zum großen Glück für alle Weingenießer. Und auch der Tio hätte das sicher für gut empfunden.

Kamillentee unter Flor

Auf die nächste willkommene Ausnahme trifft der Sherry-Reisende in Sanlúcar de Barrameda, der dritten Stadt neben Puerto de Santamaria und Jerez de la Frontera, die das Gebietsdreieck der Sherryregion definieren. Denn hier heißt Fino, Manzanilla. Was anderswo übersetzt soviel heißt, wie Kamillentee. Außer in Sanlúcar de Barrameda. Hier bezeichnet Manzanilla einen  Wein, der ebenso wie Fino unter der Florhefe heranreift und durch das Solera-System in jahrelanger detailgetreuer Kellerarbeit zum feinen, eleganten Wein heranreift. Mit dem Potenzial, sogar tausende Kilometer entfernt eine leise salzige Brise Atlantik ins Weinglas und schließlich in den Weingenießer zu befördern. Trinkbares Freiheitsgefühl, das – so sagen die Bücher meist – ebenso wie der Fino jung getrunken werden sollte. Denn auch hier geht es um die einzigartige Aromatik an Hefe, Salz und Umami, die direkt nach der Fassentnahme am intensivsten wirkt. Atlantik im Wein. Erfrischend und tiefgründig zugleich.

Die beste Probe aufs Exempel erlebt die ohnehin schon ganz sherryvernarrte Weintruppe, weil diesmal Jaime Gil von der Estevez Gruppe eine Ausnahme macht. Indem er einen Wein serviert, der erst 2016 auf den Markt kommt. Also Monate nach unserer Reise in ein sonnengebadetes Sherry-Gebiet Ende 2015. Denn wir dürfen den Manzanilla La Guita „en rama“ probieren. La Guita aus Sanlúcar de Barrameda steht seit jeher für Frische und Leichtfüßigkeit in Reinform. Nur logisch also, dass man diese Top-Manzanilla mit all seiner jugendlichen Kraft auf den Markt bringen möchte. Also als „en rama“ – so werden Finos und Manzanillas betitelt, die ohne Filtration und so rasch wie möglich nach der Abfüllung ihre Reise in die weite Welt, aktuell insbesondere in Metropolen wie New York oder London antreten – verkaufen. Dort gehen Fino und Manzanilla gerade weg wie der natürliche Zucker im Wein, der dort von den Hefen ratzeputz vernascht wird. Das macht Sherry zu den mitunter trockensten Tropfen der Weinwelt - als praktische Widerlegung der Theorie, dass Sherry immer süß und eigentlich nur für likörverliebte Canasta-spielende Damen gemacht ist.  Aber auch der frische Manzanilla kann reifen. Und zwar ganz großartig. Unter dem Titel Manzanilla Pasada betört der Wein schließlich mit Meeresbrise in Kombination mit gereiften Aromen aus Kräutern und Trockenfrüchten. Einzigartig und jeder Theorie erhaben. Paradox in seinem Aromenspiel, das von Jugendlichkeit, Salz und Mandeln erzählt, aber bis hin zu getrockneten Aprikosen und Hefeteig reicht.

Abwarten und Tee – also die Jerezaner Manzanilla – trinken, zahlt sich hier im südlichen Spanien also aus. Belohnt wird das mit Weinen, die einen auf einer Weinwolke sieben aus Tiefgang und  Jugendlichkeit schweben lassen. Insbesondere in Kombination mit Meeresküche aus Plankton, Boquerones, Messerscheidemuscheln und Algen. Gesehen und am eigenen Leib erlebt  im Restaurant Aponiente bei Ángel León, dem Koch des Meeres, der in seiner Küche, die Brise Atlantik im Glas, ob frisch oder pasado, nicht missen möchte. Fino und Manzanilla: Meer im Glas, junger und zugleich gereifter Wein und eine Teesorte als Name. Alles andere als regelkonform, aber nach allen Regeln der Kunst ein Meisterwerke der Weinbereitung.

Geschrieben von Nina Wessely

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25 Mai 2016
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